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Arbeit, Macht, Das Leben | von p83veröffentlicht von p83 am 01.04.2004 |
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Wer heute seine Arbeitskraft verkaufen will, hat wenig zu lachen. 50 Bewerbungen, 5 Umschulungen, Jobtrainings und Weiterbildungen als Multimedia-Designer und ähnlichen zeittypischen Unfug muss das Arbeitstier über sich ergehen lassen, ehe die Jobagentur einsieht, dass keine Vermittlung mehr nötig ist.Selbst dann lässt das Amt keine Ruhe und muss noch den aussichtslosesten Bewerber zu Arbeitsdienst an der Volksgemeinschaft ("gemeinnützige Arbeit") verdonnern.
Die so gestraften haben natürlich kein Koalitions- und Streikrecht und wer die sinnlose Beschäftigungstherapie ablehnt, bekommt nur noch 2/3 der Sozialhilfe, die sowieso schon das definierte Existenzminimum ist.
Die Stellung der Lohnarbeit als zentrales Integrationskriterium und Haupteinnahmequelle wird mit dieser Repression weiter aufrecht erhalten, obwohl die ökonomische Realität längst die Vollbeschäftigung ins Märchenland verbannt hat: Wir sind sicher, dass keine politische Massnahme in der Lage ist, genügend Arbeitsplätze für alle zu schaffen.
Jede Produktivitätssteigerung macht weitere Arbeit überflüssig und senkt damit die Lohnstückkosten.
Deswegen ist die miese Lage auf dem Arbeitsmarkt ist kein Versagen der Politik, sie ist vielmehr Ausdruck eines erfolgreichen Standorts. Bei der Verwandlung von Geld in mehr Geld ist jede Produktivitätssteigerung ein Vorteil.
Zum Status der BRD als wirtschaftlich potente Macht gehört, dass hierzulande dank fortgeschrittenster Automatisierung mit einem Bruchteil der Arbeitskraft mehr produziert werden kann, als an den meisten konkurrierenden Standorten.
Das ist weder gewollt, noch in Kauf genommen: Es ist logische Konsequenz der kapitalistischen Maschine, die zwar auf Arbeit beruht, aber gleichzeitig ständig Arbeit vernichtet.
Der ständige Wettlauf um die höchste Produktivität kann letzten Endes die Lohnarbeit überhaupt überflüssig machen. Schon heute funktioniert die Mehrzahl der Arbeitsplätze nur, weil staatlich subventioniert Arbeit simuliert wird, weil Menschen in Beschäftigungsprojekten und mit Zwangsarbeitsdienst in Beschäftigung gehalten werden.
"Nieder mit der Produktivität" oder auch "Zurück auf die Bäume" kann sicher nicht die Antwort sein, denn an sich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die hohe Produktivität uns ein Leben erlauben würde, bei dem mit wenig Anstrengung die Bedürfnisse befriedigt werden.
Die reformistische Antwort auf diese Zustände kann nur sein, sich von der Lohnarbeit als zentralem Integrationskriterium zu lösen.
Die Entwürdigung der Nicht-Lohnarbeitenden besteht vor allem darin, wenig Geld zu haben, sich ständig von Ämtern gängeln zu lassen und gesellschaftlich niedrig angesehen zu sein. Wenn wir als soziale Bewegung den Vorhaltungen gegen Arbeitslose - begrifflich als Faulenzer - spiegelbildlich begegnen, indem genau die selbe Wertlosigkeit, die Schröder negativ belegt, angenommen und bejammert wird [Wie es leider bei der Anti-Sozialabbau-Kundgebung am 20.11. in Erfurt geschehen ist]. Dem entgegen muß klar benannt werden, dass der Wert, den Arbeitslose in der Tat nicht haben, der Wert aus dem "Kapital" ist, dass also Arbeitslose arm sind und mitnichten wertlos im Sinne von nutzlos.
Dem entgegen müssen wir laut und deutlich sagen, dass Lohnarbeit nicht die einzige Form ist, sich sinnvoll zu beschäftigen. Lohnarbeit ist ein Zwang, der mit Armut und Ausgrenzung durchgesetzt wird.
Wenn die Arbeit ausgeht, dann müssen - so lange wir noch Geld als allgegenwärtiges Mittel zur Bedürfnisbefriedigung nutzen - eben andere Modelle her, wie Menschen zu einem auskömmlichen Einkommen kommen.
Diese anderen Modelle sind von einigen Akteuren unter Begriffen wie Existenzgeld oder Grundversorgung diskutiert wurden. Wenn diese Modelle die Problematik der jetzigen Sozialhilfe mit sich schleppen - wenn sie z.B. nur durch Kriechdienst vor Ämtern und nur für Deutsche ausgezahlt werden - dann sehen wir darin keinen Fortschritt.
Andererseits würde ein radikales Existenzgeld, dass wirklich an alle Menschen und ohne Bedürftigkeitsprüfung und in ausreichender Höhe gezahlt würde, die Grenzen des Machbaren im Kapitalismus sprengen - z.B. in dem es einen wichtigen Grenzstein zwischen Deutschen und Nichtdeutschen aufhebt.
So lange dies nicht in Sicht ist, fällt uns außer dem organisierten Kaufhausklau keine Antwort auf die verschärften Verhältnisse ein.
Aber selbst wenn die Rückkehr zu Verhältnissen, wie sie in der früheren BRD herrschten, wirtschaftlich wider alle Erwartung möglich werden und dann auch noch durchgesetzt werden, sind die Wurzeln der Misere werden dadurch freilich nicht angegangen.
Früher oder später muss die Frage nach einer umfassenden Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse gestellt werden.
Dabei stehen repressive Zwangsgemeinschaften wie Geschlecht, Rasse und Nation ebenso zur Disposition wie die Arbeit als immerwährende Verwurstung von Arbeitskraft in Kapital.
Wer dagegen in alter sozialdemokratischer Manier immer wieder die Ausweglosigkeit der Lage beschwört, erzeugt damit erst die Stimmung, die nix als Resignation kennt.
Die Frage nach einer Gesellschaft, die nicht Gewinnmaximierung sondern konkrete Bedürfnisse von Menschen in den Mittelpunkt stellt, steht genau dann auf der Tagesordnung, wenn eine starke soziale Bewegung sie stellt. | |
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