Die Natürliche Wirtschaftsordnung

von Michel Raab (aus Areal 09)
veröffentlicht von michel am 25.05.2004
Wenn die Krise galoppiert, boomen die Heilsversprechen
Bei Attac Deutschland sind sie Mitglied, in der ver.di-Zeitung werden sie lobend erwähnt und in Erfurt fanden Ende 2003 diverse Veranstaltungen statt: FreiwirtschaftlerInnen, die das Problem am Kapitalismus in den Zinsen verorten und eine ,Natürliche Wirtschaftsordnung" anstreben.

Die Natürliche Wirtschaftsordnung


,Die Natürliche Wirtschaftsordnung" ist das Hauptwerk von Silvio Gesell, der in der Tradition von P.J.Proudon [Proudon war Kämpfer in der Pariser Commune. Neben seinem Disput mit Marx wurde er vor allem dafür berühmt, daß er eine Formel aufgestellt hat, die berechnet, wie viel Meter Straße eine wie hohe Barrikade ergibt.] eine antimarxistische Ökonomietheorie entwickeln will.

Der Dissens liegt dabei schon in den Kategorien.
Geht Marx vom Wert als soziales Verhältnis aus, dass gesellschaftlich entstanden ist und auch nur in der warenproduzierenden Gesellschaft Sinn macht, so versteht Gesell ihn als natürliche Eigenschaft der Dinge:

    ,Das Gold hat eine "Eigenschaft", den sogenannten Wert, die, wie das Gewicht des Goldes, mit dem Stoff des Goldes verwachsen ist, und die wir Wert nennen (Stoffwert). Diese "Eigenschaft" ist, wie das Gewicht und die chemischen Verwandtschaften des Goldes, untrennbar vom Gold (innerer Wert), unveränderlich und unzerstörbar (Wertbeständigkeit). [...] Ein Kilo Gold ist gleich ein Kilo Wert." [NWO 3.3. Der sogenannte Wert des Geldes]

Historisch ist die Annahme, dass jeder Gegenstand a priori mit einer Eigenschaft ausgestattet ist, die sie vergleichbar und tauschbar mit anderen Dingen macht, unhaltbar: Ohne Menschen, die das besagte Gold für Wert-voll für den Tausch erachten, ist allenfalls ein gelber Klumpen vorhanden, aber keinesfalls ein Wert.

Solcherlei Argumenten begegnet Gesell mit der Aussage, der Wert habe gar nichts mit dem Tausch zu tun - wie in der bürgerlichen Ökonomie entsteht bei Gesell der Preis aus Angebot und Nachfrage. [NWO 3.4. Warum man aus Papier Geld machen kann]
Genau das sei auch die ,natürliche" Ordnung der Dinge , woraus auch die Forderung erwächst, der Staat müsse sich weitestgehend aus der Ökonomie heraus halten, um eine ,wirklich freie Marktwirtschaft" möglich zu machen.

Die Ablehnung staatlicher Regulierung hat Gesell zu Unrecht den Titel ,Marx der Anarchisten" eingebracht.
Zu Unrecht, weil Gesell nicht etwa die grundsätzliche Funktion des Staates als ,ideeller Gesamtkapitalist" und Aufrechterhalter der Ordnung ablehnt, sondern viel mehr für eine wirtschaftlich vollends deregulierte Marktwirtschaft spricht.
Die Kritik richtet sich also gegen die ökonomischen Regulationsmechanismen des Staates, die als Ergebnis sozialer Kämpfe das absolute Elend abwenden. [NWO 4.7.11. Im Versicherungsamt gegen Arbeitslosigkeit]

Als Ersatz für Kündigungsschutz, Tarifvertrag und Arbeitslosengeld wünscht Gesell, dass der Staat die Einhaltung der ,Natürlichen Wirtschaftsordnung" überwacht, was in der Hauptsache bedeutet, dass Geld als reines Tauschmittel fungieren soll und keine Zinsen ausgezahlt werden.

Die ,Natur", die er beschwört, deckt sich auf fatale Weise mit dem sozialdarwinistischen Gruselkabinett der frühen Liberalisten:
Auch für Bentham [Der englische Rechtsphilosoph Jeremy Bentham (geb. 1748) ist einer der Vordenker des Utilitarismus. Mit Smith eint ihn, dass beide eine Legitimationsphilosophie für die kapitalistische Moderne formulieren.] war jeder Eingriff in den Markt ein Graus, für Thomas Hobbes, den ersten Stammvater des Liberalismus fand der ,Krieg aller gegen alle" in der ,gesunden" Marktkonkurrenz seinen Ausdruck. Adam Smith begreift den Warentausch als ,natürliche" Art der Interaktion zwischen Menschen. [Robert Kurz , Schwarzbuch Kapitalismus, Ffm 1999, S. 36-38]

Der Wert als ,Natur"

Gesells Irrtum liegt am Anfang, da, wo der Wert als ,Natur" angenommen wird.

Ohne gesellschaftlichen Begriff von Wert und Mehrwert kann Gesell nicht wissen, dass die Arbeit den Wert schafft und die Ausbeutung darüber funktioniert, dass durch menschliche Arbeitskraft mehr Wert produziert werden kann als die Arbeitskraft selbst wert ist - dass also Ausbeutung in der Arbeit selbst liegt:

    ,Der Mehrwert entsteht aus der wunderbaren Eigenschaft einer einzigen Ware, die den Gebrauchswert hat mehr Wert erzeugen zu können, als sie zu ihrer Reproduktion braucht: der Arbeitskraft" [MEW 23, S. 181f. zitiert nach Anettes Philosophierstübchen (http://www.thur.de/philo/)]


Statt dessen erläutert Gesell, wie auf der Bank in einem automatischen Prozess aus Geld mehr Geld wird, was dann dazu führe, dass diejenigen, die kein Geld besäßen betrogen würden. [NWO 3.4. Warum man aus Papier Geld machen kann]
Dass der sich selbst verwertende Wert nur über den Zwischenschritt der Arbeit funktioniert und die Zinsen nur Ergebnis von oder Hoffnung auf materiellen Gewinn sein können, ist Gesell ein Rätsel.

Sozialistische Marktktwirtschaft

Trotz aller liberalistischen Anbetung des Marktes nennt sich Gesell Sozialist.
Seinen ,Sozialismus" begründet Gesell damit, dass er im Namen ,der Arbeiter" spricht.
Er besteht darauf, dass seine ,wirklich freie Marktwirtschaft" ,dem Arbeiter" die Freiheit bringt.
,Der Arbeiter" ist dabei jede Person, die nicht vom Zins lebt:

    ,Als Arbeiter im Sinne dieser Abhandlung gilt jeder, der vom Ertrag seiner Arbeit lebt. Bauern, Handwerker, Lohnarbeiter, Künstler, Geistliche, Soldaten, Offiziere, Könige sind Arbeiter in unserem Sinne. Einen Gegensatz zu all diesen Arbeitern bilden in unserer Volkswirtschaft einzig und allein die Rentner, denn ihr Einkommen fließt ihnen vollkommen unabhängig von jeder Arbeit zu." (Rente: Miet- oder Zinseinkommen, MR)


Abgesehen davon, dass das Zitat Gesells militaristische, staatsbejahende und reaktionäre Position dokumentiert wird hier ein zentraler Gegensatz der Rhetorik deutlich.

Produktive Arbeit gegen müheloses Einkommen

Im Zentrum der Argumentation stehen zwei Figuren.
Das Eine ist die ehrliche Arbeit, die positiv und sozialistisch beschrieben wird.
Dagegen steht bei Gesell das parasitäre mühelose Einkommen, dass durch Grundrente und Zins dem Arbeiter das Geld aus der Tasche zieht:
    ,Wie schon in der Einleitung gesagt, ist Beseitigung des arbeitlosen Einkommens, des sogenannten Mehrwertes, auch Zins und Rente genannt, das unmittelbare wirtschaftliche Ziel aller sozialistischen Bestrebungen.[NWO 1.1 Ziel und Weg]"

Diese Figur ist bereits seit dem Mittelalter antisemitisch besetzt.
Schon in der Bibel existiert ein christlich motivierter Antijudaismus. Seit dem Mittelalter wurde das religiöse Vorurteil mit der angeblich besondere Verknüpfung der Juden mit dem Geld aufgeladen.
In mittelalterlichen Städten war ChristInnen der Handel verboten, JüdInnen der Zugang zu den meisten Zünften versperrt, so dass für sie die einzige Möglichkeit des sozialen Aufstiegs im Handel lag. JüdInnen waren im Mittelalter entweder bitter arm und gesellschaftlich unsichtbar oder HändlerInnen.
Der Umbruch zwischen mittelalterlich-ständischer und kapitalistischer Gesellschaft ging einher mit politischen und gesellschaftlichen Emanzipationsbestrebungen der JüdInnen.
Weil die Herrschaft sich im Kapitalismus nicht mehr einfach durch die persönliche Unterlegenheit unter einen feudalen Herrscher erklären lies, aber kein Verständnis der neuen Herrschaft da war, trat ein Denken ein, dass an die Stelle des feudalen Herrschers einfach eine andere Person(engruppe) setzte.
Nicht selten traf das diejenigen, gegen die sowieso schon ein altes Ressentiment bestand und die nun augenscheinlich an der neuen Situation profitierten. So wurde den Juden die Verantwortung für die ,modernen Verhältnisse" - also den Kapitalismus - zugeschrieben.
So wurde aus einem tradierten religiös motivierten Vorurteil ein verschwörungstheoretisches Welterklärungsmodell, dass die Schuld für die kapitalistische Moderne bei den Juden, konkreter beim ,vagabundierenden, jüdischen, internationalen Finanzkapital" sucht.

Gerade in der Zeit der Veröffentlichung der ,Natürlichen Wirtschaftsordnung" (1916) wussten alle Bescheid, wer gemeint war, wenn über die parasitäre Funktion des Zinses gehetzt wurde - das ressentimentgeladene Bild vom ,Geldjuden" war so bekannt, dass es unnötig war, es explizit zu machen.

Aber Gesell bleibt nicht bei der Affinität zum antisemitischen kulturellen Code stehen, er formuliert auch aus, wer sich an den Zinsen bereichert, wenn er beschreibt, wie es in der ,Natürlichen Wirtschaftsordnung" aussieht:

    "... die Juden werden [..] gezwungen werden, die Verwerthung ihrer großen geistigen Fähigkeiten nicht mehr in unfruchtbarem Schacher zu suchen, sondern in der Wissenschaft, der Kunst und ehrlichen Industrie..." [Gesell zit. Nach Informationsdienst gegen Rechtsextremismus, http://www.idgr.de/lexikon/stich/f/freiwirte/freiwirte.html]


Drückeberger und Kronmacher im Namen des Weltzins

Die hohe Anschlussfähigkeit für Antisemitismus beim Thema Zinskritik springt auch an anderer Stellen ins Auge.
Für eine Veranstaltung in Erfurt warb ATTAC mit einer "Getränkekarte" mit verfremdeten Biermarkennamen:
Der Zins ist - so wird es dort nahe gelegt - ein "Kassenköder", er ist eine Einnahmequelle für "Drückeberger", er ist auch ein "Weltzins" und "Clever", er zieht die Strippen als "Kronmacher". "Diebhälts", "Dollaner", "Monetius" und "Schecks" machen die Aufzählung komplett.
Die Aufzählung bedient sehr deutlich das antisemitische Bild vom "Geldjuden", der (wie oben aufgezählt) in seiner dicken Kasse aus Geld mehr Geld macht, ein müheloses Einkommen bestreitet, weltweit und clever agiert, hinter den Herrschern steht und vor allem mit Dollars hantiert - genau so ist es bei Horst Mahler oder anderen Antisemiten aus dem rechtsextremen Lager nachzulesen.

Die Erfurter "Getränkekarte" wurde ohne Bewusstsein für die antisemitischen Lesart geschrieben, der Autor ist ganz sicher kein Rechtsextremer.
In der Frage der öffentlichen Wirkung der Argumentation ist es jedoch ziemlich belanglos, ob aus bewusst antisemitischer Motivation oder ,aus Versehen" die gefährlichen Denkstrukturen bemüht werden.

In beiden Fällen können wir davon ausgehen, daß AntisemitInnen Bescheid wissen, wenn sie lesen, daß das Finanzkapital die ehrliche Arbeit auffrisst. (Titel der Veranstaltung am 22.10.2003 in Erfurt: "Zinsen fressen Arbeitsplätze")

Und überhaupt die Zionisten...

Was ATTAC Erfurt heftig und glaubhaft bestreitet, gehört bei der Freiwirtschafts-Szene im Internet schon längst zum Guten Ton: Die Verknüpfung von freiwirtschaftlicher und antisemitischer Agitation.
Auf www.systemfehler.de, inhaltlich eine Vorfeldorganisation der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung wird ausgeführt, was beim etablierteren Spektrum nur angedeutet wird.
Im Forum der Seite tobt sich der antisemitische Mob aus.
Wir finden einen Text ,Are the Israelis planing World War III?", kopiert aus der rechtsextremen American Free Press.
Weiter werden ausgiebig Verschwörungstheorien zum Erfurter Schulmassaker und zum 11.9. diskutiert.
Zur antisemitischen Hohmann-Rede gibt es wörtlich zu lesen: ,abartig, die hetze der linken und zionisten", die Antwort darauf ist: ,Die "Linke" ist da aber nicht daran schuld. Sie ist auch nur Opfer!" Letzteres ist eine Nachricht von ,Albatros", der Dauerposter im Forum ist. [alle Beispiele aus dem Forum von http://www.systemfehler.de vom 11.9.2003]
Die BetreiberInnen der Seite schweigen zu diesen Einträgen und stellen als unterstützendes Bild für die antisemitischen Projektionen ihrer Anhänger einen fetten Kapitalisten mit Zigarre und krummer Nase zur Verfügung.

Wer tiefer in die Braunzone zwischen Neofaschismus und Freiwirtschaft gräbt, kommt spätestens vom ,Goldring" zum absoluten Grauen.
Der ,Goldring" ist ein Tauschring mit Golddeckung, ganz im Sinne von Silvio Gesell.
Er ist ein Partnerprojekt des Freundschaftsnetzwerk "Natürliche Ökonomie", dass in Österreich und Deutschland mit einigem Erfolg FreiwirtschaftlerInnen vernetzt und auch als Firmenberatung auftritt - mehr Erfolg durch ,sanften" Kapitalismus.
Das Netzwerk stellt auch die Verbindung zu zahlreichen esoterischen und spirituellen Gruppen her - selbstverständlich auch und gerade zu autoritaristischen, sexistischen und rassistischen Projekten wie ZEGG und Findhorn. [vgl. Sonderteil der Zeitschrift ÖkoLinX 28/29 Winter/Frühjahr 1998/99 S.47-70]

Der Goldring übertrifft das alles mit einem direkten Link zum ,Informationsportal für freie und unabhängige Berichterstattung" - auf dieser Apoldaer Seite wird kein Blatt mehr vor den Mund genommen und ganz offen gehetzt.
Neben Verschwörungstheorien bezüglich der geheimen Macht der Illuminaten und ,Enthüllungen" über die Kennedy-Entführung und (natürlich) die Außeridischen finden wir die Behauptung, der zweite Weltkrieg sei ein Verteidigungskrieg gewesen.
Kaum zu übertreffen sind mehrere Seiten zu den ,Protokollen der Weisen von Zion", einer antisemitischen Schrift des zaristischen Geheimdienstes, die seit Entstehung die Phantasie der Antisemiten anregt. [alle Beispiele www.info-und-wissen-deutschland.de vom 13.11.2003]

Alles nur Zufall und üble Nachrede?

Wenn FreiwirtschaftlerInnen auf die problematische Argumentation oder die Verknüpfungen in die Rechte angesprochen werden, folgt in der Regel der Hinweis, dass allein eine Anschlussfähigkeit für Antisemitismus noch nichts beweise und dass allein ein paar strukturelle Verbindungen noch nicht aussagten.
Richtig ist, dass allein die für Antisemitismus anschlussfähige Argumentation noch nicht hinreichend belegt, dass Freiwirtschaft gefährlich und reaktionär ist.
Auch die strukturellen Verknüpfungen und personelle Kontakte ins rechtsextreme Lager [siehe z.B. , http://www.antifaschistische-nachrichten.de/1997/16/004.htm für die in der freiwirtschaftlichen Szene prominente Person des Helmut Kreutz] reichen alleine nicht aus, eine ganze politische Strömung zu diskreditieren.
Hier kommt aber beides zusammen: Sowohl eine ideologische Anschlussfähigkeit als auch eine ganz konkrete Verknüpfung zwischen Antisemitismus und Freiwirtschaftslehre sind deutlich belegt.
Daraus folgt, dass FreiwirtschaftlerInnen genau so zu behandeln wie andere intellektuelle Neurechte auch: Mit den Mitläufern ist Auseinandersetzund angezeigt, die Funktionäre müssen stets um die Möglichkeit gebracht werden, ihre antihumanistische Propaganda zu verbreiten.

Kommentare

michel schrieb am 26.05.2004
Die im Text benannten Postings im Systemfehler-Forum sind nach Erscheinen des Textes in der Areal Ende 2003 gelöscht wurden.

Beim neuerlichen Blick ins Forum (Mitte Mai 2004) fällt eine Verteidigungsschrift für den schrecklichen Richter Filbinger ins Auge, der ja nur Leben retten wollte, wie ein "Systemkritiker" schreibt.

Im selben Thread (der sicherlich auch Einwände beinhaltet), behauptet ein "Herr Schlapf" über den Zweiten Weltkrieg: "die ganze welt hat damals diesen krieg gebraucht besonders auch die usa."

Außerdem wurde die Foren-Leitung von Systemfehler direkt an die INWO übergeben.
Konrad schrieb am 11.06.2004
Das Gesell-Zitat ("das Gold hat eine "Eigenschaft", den sogenannten Wert, die,wie das Gewicht des Goldes, mit dem Stoff des Goldes verwachsen ist, und die wir Wert nennen (Stoffwert). . . .") ist, wie bei marxistischen Gesellkritikern üblich, aus dem Zusammenhang gerissen. Ironischerweise beschreibt Gesell mit diesen Worten die marxistische Wertauffassung, die er in diesem Kapitel verreißt. Er selbst zitiert Marx wie folgt:

'"Man abstrahiere", so sagt Marx, "von den bearbeiteten Substanzen (3) alle körperlichen Eigenschaften, dann bleibt nur noch eine Eigenschaft, nämlich der Wert."' (NWO 3.3).

Gesell dagegen versteht Wert durchaus als soziale Übereinkunft, die durch Angebot und Nachfrage entsteht, und nicht als "natürliche" Eigenschaft von Dingen.

Den restlichen Text von Michel habe ich mir aus Zeitmangel nicht genau durchgelesen. Er strotzt leider von den bei Marxisten üblichen Widersprüchen und Verleumdungen. Nur zum ermüdenden Antisemitismusvorwurf soviel: Dass Michel und andere Kommunisten bei "Zins" gleich an "Wucherjuden" denken, verrät einen ausgeprägten Antisemitismus in ihren Denkweisen. Bei Gesell und den Freiwirtschaftlern findet sich diese Verknüpfung nicht, im Gegenteil. Jeder wahrhaft Interessierte kann dies bei www.geldreform.de und bei www.systemfehler.de nachlesen.
michel schrieb am 11.06.2004
> Freiwirtschaftskritik ist antisemitisch

Yo. Denn wie schon seit der Antikle bekannt, ist der Überbringer einer schlechten Nachricht der Täter.

Wer demnach bei Gesellianern einen Hang zum Antisemitismus nachweist, muß Antisemit sein.

Eine bestechende Logik.

> Jeder wahrhaft Interessierte kann dies bei www.geldreform.de und bei www.systemfehler.de nachlesen.

Das stimmt. Jeder kann sich z.B. im Forum von Systemfehler täglich davon überzeugen, daß sich in freiwirtschaftlichen Zusammenhängen jede Menge Antisemiten, Verschwörungstheoretiker und Durchgeknallte tummeln und daß die NWO dies unterstützt...
Konrad schrieb am 12.06.2004
"Wer demnach bei Gesellianern einen Hang zum Antisemitismus nachweist, muß Antisemit sein. Eine bestechende Logik."

Blabla, lieber Michel. Du hast mein Argument nicht verstanden, oder wohl eher, es verdrängt. Dabei ist es ganz einfach:

Die Freiwirtschaftslehre weist nach, dass Zins Wirtschaftswachstum erzwingt, eine Umverteilung von unten nach oben ("Ausbeutung", wenn Du so willst) bewirkt, langfristig die Wirtschaft destabilisiert und damit zu zyklischen Zusammenbrüchen führt. Sie schlägt daher eine selbstorganisierende, obrigkeitsfreie und gleichberechtigte Wirtschaftsordnung vor, in der es keinen Zins gibt.

Daran ist nichts antisemitisches. Freiwirte kritisieren den Zins aus den genannten Gründen. Sie denken dabei nicht an bestimmte ethnische, religiöse oder sonstige Gruppen, die Zins nehmen.

Die Kommunisten hingegen, die scheinen bei "Zins" immer sofort an "Juden" zu denken. Anders ist doch wohl nicht zu erklären, warum sie Zinskritik für antisemitisch halten. Die Logik, die zu diesem "Nachweis" führt, ist jedenfalls nicht nur nicht bestechend, sie ist überhaupt nicht zu erkennen.

Dazu mal wieder das entsprechende Gesell-Zitat:

"Die Juden beschäftigen sich nun mit Vorliebe mit Geldgeschäften und es ist klar, dass diese Vorrechte des Geldinhabers darum auch vorzugsweise den Juden zu Gute kommen. / Hat aber darum Herr Stöcker [der damalige Hofprediger Kaiser Wilhelms II] ein Recht, die Juden zu verfolgen? / Ist nicht das Geld eine öffentliche Einrichtung, kann nicht Jeder, wenn er dazu befähigt ist, den Juden Concurrenz machen, hat nicht schon Jeder, selbst Herr Stöcker, den geheimen Wunsch gehegt, selber Bankier zu sein? / Die Judenhetzerei ist eine colossale Ungerechtigkeit und eine Folge einer ungerechten Einrichtung, eine Folge des heutigen Münzwesens. [...] Die Münzreform schützt die Juden nicht allein vor jeder weiteren Verfolgung, sondern sie sichert auch der deutschen Wissenschaft und Gesetzgebung die Mitwirkung jüdischen Scharfsinnes." - Silvio Gesell

Jeder Freiwirt heute würde das unterschreiben.

Und auch folgendes:

"Der Erde, der Erdkugel gegenüber sollen alle Menschen gleichberechtigt sein, und unter Menschen verstehen wir ausnahmslos alle Menschen - ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der Bildung und körperlichen Verfassung." - Silvio Gesell

Diese Haltung wirst Du bei Leuten vor dem zweiten Weltkrieg eher selten finden. Bei Marx jedenfalls nicht, der mit antisemitischen Äußerungen nur so um sich geworfen hat.

"Das stimmt. Jeder kann sich z.B. im Forum von Systemfehler täglich davon überzeugen, daß sich in freiwirtschaftlichen Zusammenhängen jede Menge Antisemiten, Verschwörungstheoretiker und Durchgeknallte tummeln und daß die NWO dies unterstützt..."

Ja, also, dass sich im SF-Forum komische Leute finden, das stimmt gewiss. Das finde ich auch sehr schön. Freiwirtschaft verlangt von ihren Vertretern halt nicht die Gleichschaltung und Gläubigkeit, die man bei Kommunisten immer wieder findet. Antisemiten wirst Du allerdings im SF-Forum nicht finden. Und die Behauptung, dass die NWO Antisemitismus, Verschwörungstheorien und Irrsinn unterstütze, ist haltlose Verleumdung, die keine weitere Antwort verdient.

Hingegen wüsste ich gerne, warum Ihr Kommunisten die Freiwirtschaft mit solchem blinden Hass verfolgt. Die Freiwirte tun Euch doch nichts. Meistens ignorieren sie Euch einfach. Ist es dass, was Ihr nicht vertragt? Dass Freiwirte sich nicht der heiligen, reinen Lehre des Marxismus unterwerfen? Dass sie einfach ihre eigene Form von Kapitalismuskritik betreiben? Und dass sie damit mittlerweile viel erfolgreicher und mehr beachtet sind als der Kommunismus? Dass die Freiwirtschaft den Kommunismus also einfach verdrängt?

Dann kann man Euch nicht helfen.

Aber ist die Durchsetzung der kommunistischen Lehre für Euch wirklich wichtiger als der Sieg über den Kapitalismus?

Ich finde das schade. Wir haben einen gemeinsamen Feind. Aber anstatt uns Freiwirten zu helfen - oder uns wenigstens einfach in Ruhe zu lassen -, schmeißt Ihr uns bei jeder Gelegenheit Knüppel zwischen die Beine. Wie gesagt, mir kommt es wie Neid vor: Wenn Ihr den Kapitalismus schon nicht besiegt, dann soll es gefälligst auch kein anderer tun.

Lasst uns doch einfach machen. Dann wird die Geschichte zeigen, wer die bessere Theorie und die besseren Methoden hatte.
Klaus Emmerich schrieb am 05.04.2006
Zum besseren Verständnis von Michels Artikel:

Die Natürliche Wirtschaftsordnung

„Die Wirtschaftsordnung, von der hier die Rede ist, kann nur insofern eine natürliche genannt werden, als das sie der Natur des Menschen angepasst ist. Es handelt sich also nicht um eine Ordnung, die sich etwa von selbst, als Naturprodukt einstellt. Eine solche Ordnung gibt es überhaupt nicht, denn immer ist die Ordnung, die wir uns geben , eine Tat, und zwar eine bewusste und gewollte Tat. [...] ´Der Mensch ist das Maß aller Dinge´, darum auch das seiner Wirtschaft.

[...]

Solche auf dem Eigennutz errichtete Wirtschaftsordnung stellt sich dabei in keiner Weise den höheren, arterhaltenden Trieben in den Weg. Im Gegenteil, sie liefert dem Menschen nicht nur die Gelegenheit zu uneigennützigen Taten, sondern auch die Mittel dazu. Sie stärkt diese Triebe durch die Möglichkeit, sie zu üben. Hingegen in einer Wirtschaft, wo jeder seinen in Not geratenen Freund an die Versicherungsanstalt verweist, wo man die kranken Familienangehörigen ins Siechenhaus schickt, wo der Staat jede persönliche Hilfeleistung überflüssig macht, da müssen, scheint mir, zarte und wertvolle Triebe verkümmern.“

NWO, Vorw. z. 3. Aufl., 1918

„Durch die Bodenverstaatlichung kommt jedes Kind als Grundeigentümer zur Welt, und zwar hält jedes Kind, ob ehelich oder unehelich geboren, wie das Christuskind die Erdkugel in der Hand. Den Schwarzen, den Roten, den Gelben, den Weißen, allen ohne Ausnahme gehört die Erde ungeteilt.“

NWO, 4.Aufl. 1920, 2.5. Wie lässt sich die Forderung der Bodenverstaatlichung begründen?

„Der Staat selbst aber hat die Aufgabe, die Nachfrage stets haarscharf dem Angebot anzupassen, wozu das abwechselnde Einziehen oder Ausgeben geringfügiger Geldmengen genügt.

Mehr als das ist nicht nötig, um [...] in kurzer Zeit den Zins in einem Meer von Kapital zu ersäufen.“

NWO, 4.Aufl. 1920, 4.1. Freigeld

Der Staat soll darüber wachen, dass keine Zinsen ausbezahlt werden?

Der Wert als Natur - haha

„Die von unseren beiden Währungsschriftstellern (Marx und Knies, beide vorher als Vertreter der Werttheoretiker aufgeführt, KE) ohne weitere Erläuterung gebrauchten, zu Anfang erwähnten Ausdrücke enthalten, dem Sprachgebrauch entsprechend, ungefähr folgenden Sinn: das Gold hat eine „Eigenschaft“, den sogenannten Wert, die, wie das Gewicht des Goldes, mit dem Stoff des Goldes verwachsen ist, und die wir Wert nennen (Stoffwert). Diese “Eigenschaft“ ist, wie das Gewicht und die chemischen Verwandtschaften des Goldes, untrennbar vom Gold (innerer Wert), unabänderlich und unzerstörbar (Wertbeständigkeit). [....] Ein Kilo Gold ist gleich ein Kilo Wert.“

NWO, 4. Aufl., 3.3. Der sogenannte Wert

Produktive Arbeit gegen müheloses Einkommen

„Der Direktor einer Bergwerks-AG bezieht sein Gehalt ausschließlich für die von ihm geleistete Arbeit. Ist der Direktor gleichzeitig Aktionär, so erhöhen sich seine Einnahmen um den Betrag der Dividenden. Er ist dann Arbeiter und Rentner (= Kapitalist im Gesell´schen Sinne, KE) in einer Person.“

NWO, 4.Aufl. 1920, Was ist der volle Arbeitsertrag?

Steht so was sinngemäß nicht auch bei Marx?

„5. Die Übergabe des Bodens an die Bebauer erfolgt auf dem Wege der öffentlichen Pachtversteigerungen, an der sich jeder Mensch beteiligen kann, und zwar ausnahmslos jeder Bewohner der Erdkugel.

6. Das Pachtgeld fließt in die Staatskasse und wird restlos in Monatsbeträgen an die Mütter nach der Zahl ihrer Kinder verteilt. Keine Mutter, einerlei woher sie kommt, kann von diesen Bezügen ausgeschlossen werden.“

NWO, 4.Aufl. 1920, 2.1. Der Sinn des Wortes Freiland

Klingt das nicht wie „bedingungsloses Grundeinkommen“?

„ Liberalistische Anbetung des Marktes“ ohne Privateigentum an Grund und Boden(schätzen)?

Sozialistische Marktwirtschaft

Unter diesem Stichwort sollte der geneigte Leser mal bei google oder woanders suchen – und etwas über die NWO oder Gesell finden?! Viel Glück!

„Kommt es zur völligen Abrüstung, ohne dass man die Kriegsursachen beseitigt, so bereitet man den Boden für den fürchterlichsten aller Kriege, für die Schlacht im Handgemenge (Teutoburger Wald, Lechfeld, Sempach).“

NWO, 4.Aufl. 1920, 2. Freiland, die eherne Forderung des Friedens

Gesell Militarist?

Und überhaupt die Zionisten...,

Drückeberger und Kronmacher im Namen des Weltzins

„Schon das Aufrufen dieser Bilder setzt sie in Wert und setzt Dynamiken in Gang, die auch bei kritischen Auseinandersetzungen als Nebeneffekt mit produziert werden.“

aus: „Baustein nicht-rassistischer Bildungsarbeit“ des DGB-Bildungswerks Thüringen e.V., unter „Antisemitische Feindbilder“

(M. Raab ist Mitautor, KE)

„Was waren das für grauenvolle Zustände, ruft der Kenner aus, die uns die Goldwährung brachte.“

NWO, 4.Aufl. 1920, 4.1. Freigeld

„Dem Spießbürger soll der Gedanke an das Papiergeld keine Gänsehaut, sondern im Gegenteil das behagliche Gefühl der Sicherheit erwecken. Der Bauer, der heute noch vielfach das harte Silbergeld dem Gold als Sparmittel vorzieht, soll das Papiergeld diesem Silbergeld vorziehen, weil sein harter Schädel sich der Wahrheit nicht länger verschließen kann, dass, alles richtig bedacht, der Papierfidibus größere Sicherheit bietet als Gold und Silber.“

NWO, 4.Aufl. 1920, 3.5. Die Sicherheit und Deckung des Papiergeldes

...Golddeckung, ganz im Sinne von Gesell?

Alles nur Zufall und üble Nachrede?!

Mensch gewinnt bei der Lektüre derart unsachlicher Kritik an Gesell den Eindruck, beim Zins und der Grundrente in private Taschen handele es sich um schützenswerte Kulturgüter. Es ist ebenso erstaunlich, dass Herr Raab bei weitem nicht der einzige ist, der derartige meiner Meinung nach wirklich üble Nachrede führt. Dahinter könnte man ja fast eine Verschwörung vermuten...